„Mein Platz ist im Theater“ – Interview mit Mikhail Kargapoltsev

Mikhail Kargapoltsev ist Schauspieler, Regisseur und Kopf des CEH-Theaters in St. Petersburg. An der Jurij-Vasiljev-Akademie leitet er das dritte und vierte Segment der Ausbildung zum ACTINGSPEECH TRAINER nach Jurij Vasiljev und erarbeitet mit den Ausbildungsteilnehmern eine komplette Theaterproduktion, die am Ende zweimal öffentlich aufgeführt wird. Um ihn vorzustellen, haben wir ihn schriftlich interviewt.

Sie sind Schauspieler, Theaterregisseur und Sie leiten ein Theater – wie kam das?

Mikhail Kargapoltsev: Ich habe das nicht geplant.  Ich war in St. Petersburg, um Schauspiel zu studieren und landete bereits im zweiten Jahr meines Studiums beim Theater. Ich bekam eine Rolle im Musical “Scarlet Sails “ von Alexander Green. Dann wurde ich gefragt, ob ich im nächsten Stück mitspielen möchte. Ich war ganz heiß darauf, verschiedene Schauspieltechniken kennen zu lernen und auch Regie zu führen. Mir wurde klar, dass mein Platz im Theater ist.

Wie ist es, heute in Russland Theater zu machen?

MK: Es geht sehr leicht, wenn man Freunde, Verbündete und Zuversicht hat. Es gibt finanzielle Probleme, die überwunden werden müssen. Aber zugleich ist es wahnsinnig aufregend. Ein Theater von Grund auf zu erschaffen ist eine Erfahrung von unschätzbarem Wert. Das CEH-Theater ist ein Wunder.

Was bedeutet CEH?

MK: Es bedeutet Werkstätte, Gilde. Wir sind ein Zusammenschluss von Schauspielern, Regisseuren und anderen Künstlern. Vergleichbar mit den russischen Dichtervereinigungen zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts, etwa jener von Gumilev, Akhmatowa, Mandelstam, Zenkewitsch und Alexej N. Tolstoi. Als wir eröffnet haben, nannten wir uns “Werkstätte freier Künstler”. Inzwischen heißen wir einfach nur noch „Werkstätten-Theater“.

Gibt es so etwas wie eine künstlerische Richtung des CEH-Theaters?

MK: Anders als in den staatlichen Theatern haben wir keinen künstlerischen Leiter. Es gibt viele Regisseure und großartige Künstler bei uns. Unsere Inszenierungen entstehen aus Intuitionen heraus. Deshalb sind sie alle unterschiedlich. Klassische Stücke,  zeitgenössische Stücke und auch Kompositionen aus eigener Hand.

Wie ist das CEH-Theater organisiert? Haben Sie ein festes Ensemble? Gibt es Subventionen? Wer sind Ihre Zuschauer?

MK: Wir haben diesen wundervollen Raum im historischen Zentrum von St. Petersburg. Und wir sind eine Gruppe von Leuten, die durch dieses Theater vereint ist. Es gibt eine Leitung, Regisseure, Leute in der Verwaltung, Kartenverkäufer, Künstler, Techniker. Es gibt eine Gruppe von Künstlern, die fest bei uns sind, aber es gibt auch die Künstler, die wir einladen. Der Staat vergibt Subventionen für nichtstaatliche Theater in St. Petersburg, und wir bekommen einen Teil davon, immer unterschiedliche Summen. Manchmal mehr, manchmal weniger. Wir haben sehr unterschiedliche Zuschauer, es kommt immer auf die Inszenierung an. Die beste Sache ist das Publikum bei den Premieren des Theaters, da sind alle Kategorien vertreten. Das Theater genießt sehr viel Aufmerksamkeit.

Wieviele Produktionen macht das Theater pro Jahr?

MK: Wir machen in etwa 6 Produktionen pro Jahr.

Und welche Stücke spielen Sie in dieser Spielzeit?

MK: Dieses Jahr haben wir Hendrik Ibsens “Ein Puppenhaus” (Regie Vladimir Yurov), “Spieler” von Nikolai Gogol (Regie Viktor Bugakov), “Wenn die Nacht kommt” von N. Sadur (Regie E. Khanzharova), “Gazastreifen” (Regie A. Praudin).

Wie hat Jurij Vasiljev Sie handwerklich und künstlerisch geprägt?

MK: Er hat meine Wahrnehmung des Berufs und des Theaters sehr stark beeinflusst. In mir hat er Entschlossenheit, Willen und Professionalität erweckt. Er ist ein Genie auf seinem Gebiet. Er hat sehr viel unterrichtet und eine Menge guter Leute “großgezogen”.

Gibt es andere wichtige künstlerische Einflüsse – Personen oder Erfahrungen – in Ihrem Leben?

MK: Meine Familie natürlich. Dann ein reges Theaterleben. Anatoly Praudin, der einen als Regisseur zwingt, sich auf die Suche zu begeben und seinen Beruf zu lieben – ich hatte sehr viel Glück.

Was ist wichtig in der Kunst?

MK: Ehrlichkeit und Liebe.

Herr Kargapoltsev, danke für dieses Gespräch.

Das Interview führte Anne Frütel.